Malerei von Ahoo Maher:
Vor wenigen Tagen haben wir (die Kulturwissenschafterin Victoria Windtner, Fotoraf Reinhard Winkler und gfk Leiterin Wiltrud Hackl) uns mit dem Bildenden Künstler Florian Nörl in seinem aktuellen Atelier im Atelierhaus Egon-Hofmann Haus getroffen, um ihn zu portraitieren. Nörl begleitet die erste Magazinausgabe zum Schwerpunkt 2022 ERSCHÖPFUNG. Davor aber dürfen wir uns bei Künstlerin Ahoo Maher bedanken, deren Arbeiten den Schwerpunkt DANACH in Magazinausgabe #1 begleitet haben. Deshalb hier noch einmal der Text von Victoria Windntner zu den Arbeiten: Magazin #1 zur Erschöpfung erscheint Ende Jänner und kann jederzeit kostenfrei bestellt werden: info@gfk-ooe.at
Euch allen eine gute Zeit und ein wunderbares Neues Jahr!
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Diese stillen Momente, festgehalten in Fotografien, bilden den Ausgangspunkt für ihre malerische Werkserie AFTER. „Mir ist aufgefallen, wie friedlich die Menschen an diesem oft leeren Tag nach dem Feiern sind“, erinnert sich die Künstlerin. Die Figuren in ihren Bildern sind zur Ruhe gekommen und Maher verdeutlicht malerisch die regenerative Bedeutsamkeit dieser Zeit. „Ich nehme die Figuren aus den Partyfotos, positioniere sie anders und es entstehen Szenen wie aus einem eingefrorenen Film“. Diese Momente erwachsen aus der Abnabelung vom DAVOR, die Raum und Legitimation geben für Langsamkeit, ausbleibende Produktivität und Selbstreflexion.
Im Jahr 2020 nutzte die Künstlerin die neu verfügbar gewordene Zeit, um diese Dokumentationen aus einer prä-pandemischen Partyzeit in großformatigen Arbeiten weiterzuentwickeln. „Oft saß ich den ganzen Tag im Atelier einfach nur da, schaute vor mich hin und konnte überhaupt nicht malen“. Es ist eine Phase, in der Maher versucht zu fassen und zu verarbeiten, was im Zuge der Coronapandemie auf der Welt passiert und sich verändert. „Die Kunst war die einzige Möglichkeit aus der eigenen Wohnung zu kommen“, erinnert sie sich, „die Malerei war ein Fluchtweg, denn ich muss malen, sonst geht es mir nicht gut“. Das DANACH verwandelt sich unauffällig in eine Übergangsphase, eine Wartezeit zwischen DAVOR und DANACH. In der Ruhe beginnt es leise zu vibrieren. AFTER QUARANTINE bezieht sich auf eine gemeinsam, aber körperlich getrennt voneinander durchlebte Quarantäne aufgrund einer Coronaerkrankung. In der (Wieder)annäherung der Körper in Mahers Bildern schwingt erlösende Kraft. Manche der in Öl gemalten Bilder aus der Serie AFTER strahlen friedliche Introspektivität und Ruhe aus. Im Kontext ihrer pandemischen Verortung verdeutlichen sie die niederschmetternde Erschöpfung, den schmerzlichen Verlust und Verletzlichkeit, unter anderem dieser Generation. „Die letzte verbliebene Widerstandskraft ergeht sich darin, diese Erschöpfung ungeschönt öffentlich zu machen“ resümiert Wiltrud Hackl.
Mit Ölfarben malt Maher erst seit dem letzten Jahr, eine Freundin hat sie ihr geschenkt. Öl bietet der Künstlerin die Möglichkeit, mit mehreren Schichten flache Ebenen entstehen zu lassen. Mit weichen Konturen und gedämpften, satten Farben baut sie vor oft schlichten Hintergründen individuelle Minigeschichten. „Ich möchte, dass die Menschen kurz stehen bleiben, innehalten und die Welt von meinem Blickwinkel anschauen.“
Während ihres einjährigen Aufenthalts in Linz 2019 begann Maher mit der Serie BODY AND PRIVACY. Im Fokus steht eine profane Situation in einer öffentlichen Toilette. „In der Toilette bin ich ganz allein mit meinem Körper“, erklärt die Künstlerin. Die einzeln und behutsam auf der Toilettenbrille aufgelegten Blätter des rauen, federleichten Toilettenpapiers bilden eine Grenze zwischen dem eigenen Körper und der Geschichte dieses Ortes. „Die Toilette ist ein Raum, den andere bereits vor mir benutzt haben und dann komme ich und muss es für mich passend machen“, erklärt die Künstlerin. Aus dem Austausch mit anderen Frauen und Freundinnen weiß Maher, „jede macht es anders und hat ihren optimalen Weg das Papier aufzulegen. Männer sehen Toiletten ganz anders, weil sie – im Gegensatz zu Frauen – hier nicht sitzen müssen“. In der kleinformatigen Werkserie zeigt sie die Verwobenheit des höchst Privaten mit zahlreichen sozialen und gesellschaftsrelevanten Metaebenen.
2009 kam Ahoo Maher aus dem Iran nach Wien, um Musikpädagogik zu studieren, sie selbst spielt Cello. Der Wunsch beruflich im künstlerischen Bereich zu arbeiten, entstand bereits im Kindesalter. „Ich komme aus einer Künstlerfamilie“. Im Jahr 2011 wurde sie an der Akademie der bildenden Künste für das Studium kontextuelle Malerei aufgenommen, das sie 2017 abgeschlossen hat. Um ihre Freundinnen und Familie wenigstens online am neuen Leben in Österreich teilhaben zu lassen, startete sie 2009 DIARY. Darin fertigte sie jeden Tag ein Bild. Acht Jahre lang dokumentierte sie in der kleinformatigen Serie, was um sie passierte, „ich reflektierte, was ich erlebte, wie ich mich fühlte und immer häufiger entstanden daraus Selbstporträts“.
Formal als auch in seiner direkt adressierenden Wirkung erinnert das Selbstporträt EYE PAD unumgänglich an das Werk „Selbstbildnis mit Dornenhalsband“ der Malerin Frida Kahlo. Die formalen Übereinstimmungen sind zahlreich: der grüne Hintergrund, die schwarzen Haare, die frontale Haltung mit direktem Blick auf die Betrachtenden, das weiße Oberteil. Ein enger Kragen umschließt bei Maher den Hals, während dies bei Kahlo durch eine stachelige Dornenranke geschieht. Die von Dornen verletzte Haut bei Kahlo, die aufgeklebten Eye Pads bei Maher verweisen auf die Verletzlichkeit der Porträtierten. Eine Verletzlichkeit, von der die Porträtierte mit Stärke und Entschiedenheit der Welt wissen lässt und vermittelt, dass es sich dabei um keinen Mangel handelt. In der Sichtbarmachung wird der mögliche Ruf nach Reparatur und Wiederherstellung kritisch reflektiert. Weitere kunsthistorische Bezugspunkte lassen sich zu David Hockney und Lucian Freud ertasten. Maher hält unaufgeregt und konzentriert profane Momente fest, aus jedem Farbpigment tönt der Geist des jeweiligen Augenblicks. Ihre Werke sind von einer feinen feministischen Kraft durchzogen und strahlen unaufdringlich und warm bis ins Innere der Betrachtenden.
schreibt über zeitgenössische Kunst und gegenwärtige Phänomene, arbeitet als Kulturarbeiterin und forscht als Doktorandin der Kulturwissenschaft an der Kunstuniversität Linz. Sie
www.victoriawindtner.at @vicawind