SABINE SCHATZ ist Vorstandsmitglied der gfk, Abgeordnete zum österreichischen Nationalrat und Bereichssprecherin für Erinnerungskultur. Die leidenschaftliche Antifaschistin setzt sich seit Jahren mit aller Kraft gegen Diskriminierung und Hetze und dafür, die mahnenden Erinnerungen der Überlebenden und Zeitzeug*innen wach und lebendig zu halten: „Wir müssen mit aller Kraft und Entschlossenheit gegen Hass, Rassismus, Rechtsextremismus und Antisemitismus eintreten. Wir müssen dafür sorgen, dass das ´Niemals wieder´ auch `Niemals wieder´ bleibt!“
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Wir müssen ein Danach in der Erinnerungs- und Gedenkpolitik sicherstellen!
Am 8. Mai feiern wir die Befreiung vor 76 Jahren. Zusammen mit dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen und seiner Außenlager bekommt Gedenk- und Erinnerungspolitik in den Tagen Anfang Mai einen besonderen Stellenwert. Das öffentliche Scheinwerferlicht strahlt auf das Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus und ihrer Opfer.
Erinnerungspolitik bedeutet das aktive Beschäftigen mit Geschichte und Vergangenheit und Reflexion über die Bedingungen unter denen Gedenken stattfinden kann. Aus der Geschichte wissen wir, dass Österreich ein – sagen wir – ambivalentes Verhältnis zu seiner Vergangenheit hat. Relativ rasch hatte sich die These verfestigt, Österreich wäre erstes Opfer der Nationalsozialisten gewesen. Geändert hat sich das erst nach dem Waldheim-Wahlkampf. Erst 1991 bekannte sicher der damalige Bundeskanzler Franz Vranitzky erstmals zur Schuld und Mitverantwortung Österreichs an den Gräueltaten. Erinnerungs- und Gedenkkultur kam in vielen Gemeinden, Orten ehemaliger Außenlager des KZ Mauthausen oder an Orten der Verbrechen der Nazis erst ab diesem Zeitpunkt in Bewegung. Bis heute wachsen langsam Gedenk- und Erinnerungsorte, zu verdanken ist das vorwiegend jahrelanger Arbeit und dem Druck von örtlichen Gedenkinitiativen. Unterstützt wurden und werden sie vielfach von ZeitzeugInnen. Sie konnten aus erster Hand und authentisch über ihre Erlebnisse berichten.
Heute sind nur noch wenige von ihnen aktiv, auch weil sie sich schon im hohen Alter befinden. Bald wird Gedenk- und Erinnerungsarbeit ohne sie auskommen müssen. Das ist eine große Aufgabe, die wir von ihnen übernehmen müssen, in dem Wissen, dass wir auch neue Wege der Erinnerungsarbeit beschreiten werden müssen. Aber wir müssen unsere historische Verantwortung wahrnehmen und dürfen nicht zulassen, dass die Geschichte mit den letzten Überlebenden verblasst. Wir müssen neue Methoden anwenden und entwickeln, um die Generationen Danach zu erreichen, sei es an den Schulen, digital oder über einen kulturellen Zugang durchaus auch kreativ. Wir müssen die lauten Stimmen der Opfer werden und ihre Botschaft weitertragen: Alles zu tun, damit sich so etwas nicht wiederholt.
Aus der Beschäftigung mit den Entstehungsbedingungen von Antisemitismus, Faschismus und Nationalsozialismus ergibt sich aber auch die Notwendigkeit, aus dem Erinnern und Gedenken einen aktiven Handlungsauftrag für heute abzuleiten.
“Nie wieder” darf keine leere Phrase sein, sondern verpflichtet uns die Verbrechen der Nazis sichtbar zu machen, den Opfern zu gedenken und es als Auftrag für einen aktiven Antifaschismus auch im heute zu verstehen. „Nie wieder“ müssen wir im kollektiven Geschichtsbewusstsein verankern. Geschichte verblasst schnell, wenn wir die Ereignisse nicht selbst erlebt haben. Deshalb müssen wir diese Erinnerung wach halten. Wir müssen Lehren ziehen, die auch Orientierung bieten sollen für zukünftige Generationen.
Wir müssen deshalb auch über strukturelle und institutionelle Diskriminierung genauso sprechen, wie über Alltagsrassismus oder demokratiefeindliche Ideologien. Wir müssen konsequent für eine vielfältige, gleichberechtigte und demokratische Gesellschaft arbeiten. Die kollektive Verantwortung zielt immer auf dasselbe ab: Demokratie, Rechtsstaat, Menschenrechte, Würde des Menschen.
In Zeiten einer immer komplexer werdenden Welt ist es besonders verlockend auf die schwierigen Fragen und Anforderungen der Realität mit einfachen Antworten zu reagieren. Gedenken und Erinnern ist nichts kurzfristiges und auch nichts einfaches, sondern etwas, das um langfristige und nachhaltige Antworten bemüht sein muss, vor allem aber auch müssen wir uns dieser langfristige Arbeit stellen und nicht nur in den üblichen Sonntagsreden Stellung beziehen oder populistische Aktionen setzen.
Gedenken ist allgegenwärtig. Das Erinnern an Ereignisse in der Geschichte, sollten genau diese lebendig halten, denn es gibt einen engen Zusammenhang zwischen der Deutung der Geschichte und den Kämpfen im Hier und Jetzt.