Prekariat ist weiblich. Armut ist weiblich. Die soziale Frage ist weiblich. Und über alle drei Dinge wird nicht geredet. Schon davor war es schwierig, mit diesen Themen durchzukommen. Jetzt verschwinden Frauen zwischen den Gipfeln und Tälern schicker bunter Fallzahlendiagramme, Regierungspressekonferenzen des – natürlich männlichen – virologischen Quartetts und dem gefühlt tausendsten angekündigten Hilfspaket für Kultur und Einzelunternehmer_innen und Freischaffende, das dann nicht oder zu spät ankommt.
Noch weniger als vor der Krise wird über die Situation von Frauen gesprochen. Ja okay, wir alle haben oft genug gelesen, dass sie häufiger in die Arbeitslosigkeit und Armut kippen, sich fast zur Gänze um die unbezahlte Arbeit kümmern und weit öfter in Abhängigkeiten stehen. Doch was heißt das genau? Es heißt, dass deine Tage um 5 Uhr früh beginnen und um Mitternacht enden. Es heißt, vor lauter Existenzängsten nicht mehr schlafen zu können. Es heißt, aus dem Nichts plötzlich in Tränen auszubrechen, weil du nicht mehr kannst aber trotzdem musst. Es heißt überlegen, ob du dich nicht vielleicht doch bei der Tafel um Lebensmittel anstellst, obwohl du dich schämst. Es heißt, in Gewaltbeziehungen zu bleiben, weil du finanziell abhängig bist. In einem prekären Beschäftigungsverhältnis zu bleiben, wo du vom Chef gepiesakt wirst – aber besser dieser Job als keiner, oder? Und vor allem heißt es, dass wir in einer Öffentlichkeit, einer Gesellschaft leben, der das vorher schon wurscht war. Und jetzt eben noch viel wurschter ist. Bei Pressekonferenzen wird hingegen gefragt, ob es in Schigebieten dann Germknödel-Drive-Ins geben wird.
Alleine in meinem Umfeld beobachte und höre ich immer öfter Frauen sagen: „Ich kann nicht mehr.“ Ich sehe Frauen, die in schwere Depressionen fallen. Im Burnout landen. Verzweifelt sind. „Ich kann nicht mehr.“ ist nicht Ausdruck der üblichen Erschöpfung, die wir ohnehin kennen, weil unsere Arbeit nicht gesehen, nicht geschätzt, von Männern gefladert und nicht bzw. nicht angemessen bezahlt wird. Es ist ein anderes, ein viel schwereres „Ich kann nicht mehr.“ Kein zorniges, sondern – im Gegenteil – ein komplett kraftloses.
Diese Gesundheitskrise ist eine soziale Krise. Diese soziale Krise ist eine Krise auf dem Rücken der Frauen. Und sehr viele werden diese Unsichtbarkeit, in die sie mit ihren Bedürfnissen und ihrem „Ich kann nicht mehr.“ gestoßen werden, nur sehr schwer an Körper und Geist beschädigt überstehen. Klingt düster? Ist es auch. Es gibt daran nichts schönzuschreiben. Das einzige was jetzt noch hilft ist die Konfrontation mit dem Unschönen, dem Schmerzhaften und dem „Ich kann nicht mehr.“
Wie sind eure Beobachtungen in eurem Umfeld zu diesem „Ich kann nicht mehr“? Was macht dieses Gefühl der Wurschtigkeit mit unserer Kultur, mit unserer Gesellschaft? Lasst uns ein paar Zeilen oder Stichworte an kulturpolitikwagen@gfk-ooe.at zukommen.