ROTKÄPPCHENS BEUTEL
Carrier Practice
3 tägige Konferenz / Ort: Kandlheim, Andreas Hofer Platz / in freundlicher Kooperation mit dem Verein makart
Bild: (c) Sonja vom Brocke
Samstag 16.10.2021
10:00 | Café (Erdegschoß)
SABRINA BÜHN
Monster: damals und heute
Von grünen Invasoren und ihrer ökologischen Bedeutung
Es war einmal vor langer Zeit, als die belebte Welt in Gut und Böse, in heimisch und fremd, unterteilt wurde. Nach diesem binären Konzept betreiben wir heute immer noch Mainstream-Naturschutz und -Ökologie. Dieser Input ist eine Einladung unsere Wertebilder neu zu denken, um in einer untergehenden Ökosphäre zu überleben. Was ändert sich, wenn wir invasiven Spezies die Macht zugestehen, vor der wir uns zu fürchten meinen? Welche (Horror-)Geschichten erzählen wir weiter? Ein integrativer Entwurf aus der Vegetationsökologie.
SABRINA BÜHN ist Vegetationsökologin mit besonderem Augenmerk für invasive Spezies.
11:00 | Vortragsraum (2.Stock)
LISA SPALT
Die grüne Hydra
Haustiere drehen durch, Menschen flüchten sich in die seit Langem aufgelassenen Bau- und Gartenparadiese. Es bildet sich eine neue Sprache, die es möglich macht, Pilze, Gartenstatuen, Geräte, Kressesamen, Menschen, Bibelstorys, Tiere und Schrauben zu einer neuen Weltgeschichte upzucyceln. Eine Band mit dem französisch klingenden Namen „Peubel“ taucht darin auf. Peubel ist fiktiv, aber ihre Songs kursieren in der Geschichte in Form von materiellen Schallplatten, die aus alten Röntgenbildern hergestellt wurden. Auf diesen sind noch die Knochen der untersuchten Menschen zu sehen. Einer der sehr persönlichen Tonträger verrät der Menschheit, wie sie die Überbevölkerung mit einem eleganten Trick reduzieren kann, der allen Menschen auf der Erde Unabhängigkeit und Freizeit verschafft …
LISA SPALT lebt als feste Mitarbeiterin des Instituts für poetische Alltagsverbesserung (IPA) in Linz. Veröffentlicht als solche Arbeiten zum Handeln in Sprache, Bildern und Objekten. Die Autorin ist u.a. aktuell Robert-Musil-Stipendiatin und wurde 2021 mit dem Outstanding Artist Award für Literatur ausgezeichnet.
12:00 – 14:00 Pause
Möglichkeit zum gemeinsamen Mittagessen von 12.00 – 13.30 (https://ueberdentellerrand.org/satelliten/linz/, Kostenbeitrag 12,-, bitte anmelden!)
14:00 | Café (Erdgeschoß)
MAREN MAYER-SCHWIEGER
Regenwürmer. Für eine Historiographie von unten
Der letzte Text, den Charles Darwin publizierte, war ein Buch über Regenwürmer. Darin schrieb er Regenwürmern nicht nur geologische, sondern gar weltgeschichtliche Wirkungsmacht zu: »It may be doubted whether there are many other animals which have played so important a part in the history of the world, as have these lowly organized creatures.«
Anknüpfend an diese erstaunliche Aussage unternehme ich den Versuch, mit Regenwürmern Geschichte(n) zu schreiben. Dabei wird es nicht nur um eine »Um-Wendung« (Karen Barad) zu und von Geschichtskonzepten des 19. Jahrhunderts gehen. Vor allem soll mit Hilfe von Regenwürmern das lineare Epoche-Machen des Anthropozäns durchqueert werden. Doch wie machen Regenwürmer Geschichte(n)? Und welche?
MAREN MAYER-SCHWIEGER ist Medienkulturwissenschaftlerin. Sie forscht und lehrt an der Kunstuniversität Linz u.a. zu den Geschichten und Techniken ökologischen Wissens.
15:00 | Café (Erdgeschoß)
FLORIAN HUBER
Ökologie und Fantasie – Blaschkas Glasmodelle und die Frage nach der passenden Umgebung
An der Schwelle zum 20. Jahrhundert entstehen in der Werkstatt der beiden böhmischen Handwerker Leopold (1822–1895) und Rudolf Blaschka (1857–1939) tausende, naturgetreue Nachbildungen von Pflanzen und Meerestieren aus Glas. Ihre enorme, bis zum heutigen Tag anhaltende Popularität und weltweite Verbreitung verdankt sich nicht nur ihrem Einsatz als Lehrmittel an Schulen, Universitäten und Naturkundemuseen. Vielmehr provozieren die täuschend echt anmutenden künstlichen Tiere und Pflanzen auch Fragen nach ihrer Umwelt und den menschlichen Eingriffen in die Natur.
FLORIAN HUBER lebt in Lüneburg und arbeitet an der Leuphana Universität zum Verhältnis von Literatur und Lebenswissenschaften.
16:00 | Café (Erdgeschoß)
ISABEL KRANZ
Namen als Behälter
Wir wissen nicht, welche Blumen Rotkäppchen für ihre Großmutter gepflückt und zu einem Strauß zusammengebunden hat. Das Märchen enthält uns ihren Namen und damit wichtige Informationen vor. Denn in Pflanzennamen verstecken sich medizinisches Wissen, mythologische Referenzen, Verweise auf lokale Traditionen und globale Handelszusammenhänge. Oftmals sind Phytonyme das Ergebnis kolonialer Benennungspraktiken, sie können aber auch Gegengeschichten beinhalten. Anhand einiger Beispiele aus der Botanik und der Literatur soll den Pflanzennamen als Behälter nachgeforscht werden.
ISABEL KRANZ ist Literaturwissenschafterin, Autorin und Mitbegründerin des Literary and Cultural Plant Studies Network.
17:00 | Café (Erdgeschoß)
GERTRUDE SAXINGER & FRANK PATTERSON
Elche, Gold und Silber – Menschen und Wasser
Kanada, die nette Nachbarin der USA?! Frank Patterson aus dem Yukon Territory und Gertrude Saxinger aus Wien begeben sich in einem Gespräch auf die Spurensuche nach dem Drang, Menschen und Territorien zu erobern. Die Kolonialgeschichte im Yukon ist gerade einmal ein Jahrhundert alt. Sie ist nicht zu Ende. Die dortige First Nation der Nacho Nyäk Dun (Big River People) schaut „7 Generationen“ voraus. Gertrude und Frank werden über die Fruchtbarmachung oder die zerstörerische Kraft kolonialer Traumata bei der Suche nach „Zukunft“ von Mensch und More-than-Humans in der Region des „Klondike Goldrausches“ sinnieren.
FRANK PATTERSON ist Elder in der Community der First Nation of Nacho Nyäk Dun in Mayo, einem Dorf im kanadischen Yukon Territory. Als Integrationsfigur unterstützt er Menschen im Bereich Männergesundheit und Heilung von kolonialen Wunden durch Weitergabe traditioneller Praktiken und Geschichte(n).
GERTRUDE SAXINGER ist Sozialanthropologin am Institut für Politikwissenschaft an der Uni Wien. Sie darf mit Frank seit 2014, als sie zum ersten Mal in den Yukon zur Bergbauforschung kam, über die Northern Tutchone Gemeinschaften lernen.
Gemeinsam brachten sie den Film „Mining on First Nation Land“ https://www.youtube.com/watch?v=u4UXywmkoqM und das Oral-History-Buch „Dän Hùnày – Our People’s Story“ https://www.nndfn.com/wp-content/uploads/2020/09/DAN-HUNAY-1-compressed.pdf heraus.
18:00 – 20:00 Pause
20:00 Café (Erdgeschoß)
RENATE PITTROFF
Schleimpilz-Orakel / Habitat für Physarum Polycephalum,
kurze Präsentation, das Video läuft im Stiegenhaus im 1. Stock
Schleimpilze sind als Taxon Einzeller, die Merkmale sowohl von Pilzen aber auch von Tieren tragen.
In ihrem Lebenszyklus durchlaufen sie Stadien von einer winzigen unbeweglichen Zelle über schleimige, amorphe Organismen bis hin zu Fruchtkörpern.
In ihrem Stadium als Plasmodium verdauen sie alles, was sie überwachsen können, modrige Blätter, morsches Holz, Getreideflocken. Als „Caca de Luna“ werden sie von Menschen gegrillt gegessen, sie sind Beute von Käfern und Milben.
Schleimpilze sind beweglich und finden sich sogar in einem Labyrinth zurecht. Das ist insofern überraschend, als diese Lebewesen nur über eine Zelle und keine gehirnähnlichen Strukturen verfügen. Trotzdem ist Physarum polycephalum in der Lage, zielgerichtet den Ein- und Ausgang eines Labyrinths mittels seines Körpers zu verbinden.
RENATE PITTROFF ist Regisseurin, Performerin und bildende Künstlerin und betreibt u.a. mit Christoph Theiler das Label und den Off-Space wechselstrom in Wien.
Sonntag, 17.10.
11:00 | Treffpunkt vor Volkshaus / Andreas-Hofer-Park
Der (dialogische) GSTETTNSPAZIERGANG mit FRIEDRICH SCHWARZ
FRIEDRICH SCHWARZ ist Biologe und Leiter der Naturkundlichen Station und des Botanischen Gartens in Linz