Corona ist mittlerweile fester Bestandteil unseres Alltags geworden. Waren bis vor einigen Wochen noch der ständige Blick auf den rasanten Anstieg der Infektionszahlen, auf die Schreckensbilder aus italienischen Krankenhäusern oder auf die eigenen vier Wände in Quarantänezeiten dominierend, hat sich das Bild mittlerweile ziemlich gewandelt. Die Live-Ticker und Schlagzeilen zur COVID-19-Pandemie rutschen langsam in den Hintergrund und werden von korrupten Gaunern aus dem Umfeld der FPÖ im Ibiza-U-Ausschuss, sexistischen Flegeln im tiefschwarzen Tirol und mordenden Polizisten in den tief gespaltenen USA abgelöst.
Neben stellungspolitischen Scharmützeln rund um Babyelefanten, Kanzlerbesuche und Bundesgärten ist die aktuelle Diskussion in Österreich vor allem von zwei großen Fragen geprägt: Was soll gegen die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Folgen getan werden? Und wann und wie können die auferlegten Einschränkungen wieder gelockert werden? Nachdem die türkis-grüne Regierung Mitte März ein wirtschaftspolitisches Maßnahmenpaket über insgesamt 38 Milliarden Euro beschloss – u. a. für Kurzarbeit, Kreditabsicherungen, Steuerstundungen und Härtefallfonds – lief der bürokratische Apparat auf Hochtouren an. Komplizierte Anträge, überbordende Kriterien und der allgegenwärtige Prüfungs- und Kontrollzwang führten angesichts der Masse an betroffenen Personen und Unternehmen zu leidigen Verzögerungen und viel Frust.
Besonders deutlich wurde dies am Beispiel des Kunst- und Kulturbereichs, der durch eine immense Vielfältigkeit gekennzeichnet ist. Der von der WKO verwaltete Härtefallfonds des Bundes entpuppte sich als ungeeignet, der Covid-19-Fonds im Künstler-Sozialversicherungsfonds als unzulänglich. Noch untauglicher machte es das Land Oberösterreich unter ÖVP-Kulturreferent Thomas Stelzer. Ein „Härtefallfonds für oö. Kulturschaffende“ wurde eingerichtet. Für eine Unterstützung in Höhe von 917,35 Euro für maximal drei Monate müssen dazu Absagen der beiden oben genannten Fonds, Angaben zu monatlichen Belastungen wie Miete, Alimente oder Bankverbindlichkeiten, Kontoauszüge der letzten 12 Monate, Angaben zu Sparguthaben u. a. m. eingebracht werden. Kulturland Oberösterreich – da werden Sie geholfen.
Unter der neuen Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer wurde mittlerweile auf intensives Betreiben der grünen Kultursprecherin Eva Blimlinger ein weiterer Fonds zur Unterstützung selbständiger Künstler*innen in Höhe von 90 Mio. Euro initiiert. SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda äußerte dazu die Befürchtung, „[…] dass es den Künstlerinnen und den Künstlern nicht viel besser ergehen wird und auch die neuen Fonds nicht wirklich weiterhelfen werden.“ Gleichzeitig bekräftigte er die Forderung nach einer Kulturmilliarde, die u. a. die Möglichkeit zur Kurzarbeit auch für Selbstständige, die Öffnung des Härtefallfonds für alle Künstler*innen, Kompensationen für fehlende Ticketverkäufe für Kunst- und Kultureinrichtungen und die Valorisierung aller Kultursubventionen umfassen soll.
Der zweite Bereich, mit dem der gesamte Kunst- und Kulturbereich massiv zu kämpfen hat, betrifft die Einschränkungen, die hierzulande zu einem weitest gehenden Shutdown aller künstlerischen und kulturellen Aktivitäten abseits des virtuellen Raums geführt haben. Museen, Galerien, Kinos oder Theater waren von Veranstaltungsverboten ebenso betroffen wie Konzerthallen, Clubs oder Festivals. Gemeinsam mit den Verhaltensmaßregeln wie dem allgemeinen Gebot zur räumlichen Distanzierung wurde unzähligen Künstlerinnen, Kulturarbeiterinnen, kreativwirtschaftlichen Unternehmen und damit verbundenen Berufsgruppen ihre tägliche Arbeit verunmöglicht. Angesichts der prekären finanziellen Situation, in der sich viele der Betroffenen im Normalfall sowieso befinden, gehen damit massive ökonomische und soziale Folgen einher, die zum jetzigen Zeitpunkt nur ansatzweise sichtbar sind. Die zögerliche Herangehensweise und fehlende Durchsetzungskraft, um diese Herausforderungen zu meistern, führten Mitte Mai zum Rücktritt der grünen Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek. Ende Mai präsentierte ihre Nachfolgerin gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober eine Lockerungsverordnung, die auch für den Kunst- und Kulturbereich zumindest wieder Hoffnung auf etwas Normalisierung mit sich bringt.
Es wird kritisch zu verfolgen sein, wie die dringend notwendigen finanziellen Unterstützungen für einzelne Personen, aber auch für die Kunst- und Kultureinrichtungen, tatsächlich ankommen und ob darüberhinaus mittel- und langfristige Strategien zur strukturellen Absicherung des Kunst- und Kulturbereichs auf den Tisch gebracht werden – und zwar nicht erst, wenn alles zu spät ist. Die Erhöhung der öffentlichen Förderungen für zeitgenössische Kunst und regionale Kulturarbeit zählen hier ebenso dazu wie die soziale Absicherung der Künstlerinnen und Kulturarbeiterinnen über sozial- und gesundheitspolitische Hilfsleistungen, Fair Pay oder Grundeinkommen. Parallel dazu gilt es, den Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb – unter Berücksichtigung der gesundheitspolitischen Ziele – wieder in Gang zu bringen und neue Modelle des Produzierens, Aufführens und Präsentierens in ihrer Weiterentwicklung zu unterstützen.
Was stört euch an der aktuellen Kulturpolitik auf Bundes- und Landesebene? Welche Maßnahmen sollten gesetzt werden, um die triste Situation für den Kunst- und Kulturbereich zu verbessern? Wie sind eure Erfahrungen mit den Unterstützungsleistungen aus den diversen Fonds? Lasst uns ein paar Zeilen oder Stichworte an kulturpolitikwagen@gfk-ooe.at zukommen. Wir sammeln die Meinungen und setzen uns dafür ein, dass die Öffentlichkeit – in verdichteter und anonymisierter Form – darüber erfährt.