Angeln wir uns Europa

… und kämpfen wir für mehr Demokratie, Offenheit und Kultur.
Rundbrief #6 | Kulturpolitik wagen!

Liebe Freund*innen, liebe Engagierte!
Auch wenn viele tausend Menschen bereits auf der Straße gegen die Maßnahmen der österreichischen Bundesregierung protestierten, ist die allgemeine Lethargie bzw. sogar die Zufriedenheit mit dieser Regierung schon sehr verwunderlich. Ohne die ansonsten gepflegte Einbindung von parlamentarischen Instanzen werden Gesetze im Eiltempo beschlossen und durchgepeitscht. Und diese Gesetze und Maßnahmen sind ganz sicher nicht zum Vorteil des Großteils der Bevölkerung. Wie im letzten Beitrag von Christian Horner angesprochen, ist der 12-Stunden-Tag der erste große Aufreger, der letztendlich jene Jobs am härtesten trifft, die von Haus aus schon sehr anstrengend – und nebenbei schlecht bezahlt – sind, wie etwa in Tourismus, Hotellerie und Gastgewerbe. Trotzdem sehen das auch Betroffene noch immer mit einer gewissen Gelassenheit: „Ich hab eh nie im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes gearbeitet, jetzt wird das halt rechtlich gedeckt“, „es wird schon nicht so tragisch werden“, „es wird heißer gekocht als gegessen“, sind mitunter Antworten auf die Frage, was Menschen denken, wie sich die Regierungsaktivitäten auswirken werden. Ich bin verblüfft! In der letzten Woche kam noch eine besondere Maßnahme der Regierung ergänzend zum 12-Stunden-Tag hinzu: Die Kürzung der Gelder für den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen. Beides zusammen ergibt entweder keinen Sinn, oder ist eine geballte Ladung Hohn und Spott für Menschen, die nicht vom Erben und der Schwiegermutter, sondern von der Arbeit leben! Als Hauptakt zum Ablenken wollen uns Kurz, Strache, Kickl, Salvini, Seehofer und die restlichen rechten und rechtsextremen Kameraden aber weißmachen, dass uns aktuell Millionen „fremde Eindringlinge“ an der Südgrenze die ganze Weinernte in der Südsteiermark wegessen.
Lustig?
Leider nicht, denn beinahe die Hälfte der Österreicher_innen ist tatsächlich davon überzeugt. Bei so einer „Bedrohung“ wird dann plötzlich darauf vergessen, dass 12 Stunden arbeiten bei schlechtem Lohn und ohne adäquater Kinderbetreuung die eigentliche Bedrohung ist. Teilweise wird diese Regierungspolitik als „Retropolitik“ kommentiert. Dieser Meinung bin ich nicht. Es ist die rasche Umsetzung eines Wunschzustandes der rechtspopulistischen Kräfte in Österreich und in Europa. Es ist Strategie, die Demokratie und die Justiz in Frage zu stellen, kritische Journalist_innen mundtot zu machen die Überwachung auszubauen, eine autoritäre Führung zu etablieren und jenen einen Gefallen zu tun, die Bares in die Parteikasse liefern, etwa durch Wirtschaftsförderungen oder die Reduzierung von Umweltstandards. Das Vorgehen ist dabei in vielen Punkten aus der Regierungszeit von Wolfgang Schüssel bekannt, wurde mittlerweile allerdings perfektioniert. Diese Regierung wird sich nicht in die Luft schießen, der gemeinsame Hass auf alles Solidarische, Gerechte und Weltoffene ist zu groß dafür. Was jetzt hilft, ist nicht, sich bloß im Widerstand einzumauern, sondern es müssen schnellstmöglich und proaktiv Zukunftsbilder entworfen und diese verständlich kommuniziert werden. Dazu müssen alle Menschen und Gruppierungen, die vom rechten Tross angewidert sind, zusammenarbeiten. Die Antwort kann nicht Verdrossenheit und Resignation sein, sondern ein deutlicher politischer Schub von Links. Schon jetzt muss auch auf die kommenden Wahlen im nächsten Jahr geblickt und sich gut darauf vorbereitet werden. Unter anderem stehen die Arbeiterkammerwahlen und die Europawahl an. Vor allem bei den Wahlen zum Europäischen Parlament braucht es gemeinsame Aktivitäten der Parteien links der Mitte mit zivilgesesellschaftlichen Initiativen aus dem Sozial-, Bildungs- und Kulturbereich, um gegen präfaschistische Entwicklungen und für eine umfassende Demokratie zu kämpfen. Nicht der Euro ist Europa, nicht der Brexit ist Europa, nicht eine Mauer an den Fransen von Nordafrika ist Europa. Europa kann für eine friedliche, offene und demokratische Gesellschaft stehen, in Europa sollen sich Menschen frei bewegen können, Europa hat weltweit Vorbild für soziale Standards zu sein, Europa muss eine Gemeinschaft, geprägt von kultureller Freiheit und Vielfalt, sein. Ein Blick lohnt sich übrigens auch auf das EU-Budget. Der Finanzrahmen für 2021 bis 2027 soll bei 1.135 Milliarden Euro liegen. Nur rund zwei Tausendstel davon (!!!) sind für Ausgaben in den Kunst- und Kulturbereich vorgesehen.
Wie wäre es, wenn endlich einmal weniger in die Abschottung von Europa investiert wird und dafür mehr in regionalen, europäischen und internationalen Kulturaustausch?
Was könnte bereits mit zwei Prozent der 1.135 Milliarden Euro alles im Kunst- und Kulturbereich in Europa bewegt werden?
Wo denkt ihr, sollte auf europäischer Ebene angesetzt werden, damit der Kunst- und Kulturbereich gestärkt und ausgebaut wird?
Auf eure Beiträge freut sich die gfk oö, Roland Schwandner